Kraichtal und die Bahn
Gleich drei Jubiläen konnten in Kraichtal in diesem Jahr begangen werden: Zum einen das 50. Gründungsjahr der Stadt Kraichtal mit ihren neun Stadtteilen, zum anderen 125 Jahre Eisenbahn von Bruchsal nach Menzingen sowie die Aufnahme des Stadtbahnbetriebes, welche sich die größte Flächenkommune im Landkreis Karlsruhe selbst vor 25 Jahren
zum Geburtstagsgeschenk gemacht hatte.
Dem allgemeinen Bestreben nach einem Bahnanschluss und somit „an die Welt angeschlossen“ zu werden, ergriffen bereits 1888 die Städte Bruchsal, Unteröwisheim und Gochsheim sowie die Gemeinden Ubstadt, Oberöwisheim, Münzesheim, Bahnbrücken, Menzingen, Stettfeld, Zeutern und Odenheim die Initiative und gaben den Bau einer Nebenbahn in Auftrag.
Vor 125 Jahren, am 5. März 1896, wurde der Betrieb mit zwei Steckenästen, welche sich in Ubstadt teilen, aufgenommen. Im Jahr 1900 wurde die „Odenheimer Strecke“ bis nach Hilsbach verlängert.
Finanzielle Schwierigkeiten führten zur Stilllegung zahlreicher Strecken
Von Anfang an stand es finanziell nicht gut um die beiden Strecken. Die Betreiber, die Badische Lokal-Eisenbahnen AG (B.L.E.A.G.) (im Volksmund: Bummelt Langsam Entgleist Auch Gerne) und nach deren Konkurs im Jahr 1931 die Deutsche Eisenbahn-Betriebs-Gesellschaft (DEBG) konnten ohne staatliche Finanzmittel den Betrieb nur schwerlich aufrechterhalten.
Hinzu kam in den Wirtschaftswunderzeiten das Wachstum des motorisierten Individualverkehres, welcher die Fahrgastzahlen und den Güterverkehr immer weiter zurückgehen ließ.
Bereits im Jahr 1960 wurde der Abschnitt von Tiefenbach bis Hilsbach stillgelegt. Im Jahr 1962 beantragte die DEBG die Stilllegung aller ihrer Eisenbahnstrecken, welches zur der Gründung Südwestdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft mbH (SWEG) durch das Land Baden-Württemberg führte. Auch unter der SWEG stand eine Stilllegung der Strecken immer wieder zur Debatte. 1975 wurde die Strecke zwischen
Odenheim Ost und Tiefenbach und 1986 der Abschnitt durch Odenheim stillgelegt.
Nur der wachsende Schülerverkehr und der zu Beginn der 1980er Jahre stark zunehmende schwere Güterverkehr auf der Menzinger Strecke der BMO-Bahn (Bruchsal-Menzingen- Odenheim), konnte vermutlich ein Sterben der Bahnstrecke verhindern.. Zwischen Bruchsal und Menzingen verkehrten sonntags nur noch vier Zugpaare.
Eine neue Vision: das Karlsruher Modell
Als 1992 die Albtalverkehrsgesellschaft (AVG), die Vision ihres damaligen Geschäftsführers Dieter Ludwig umsetzte und mit einer weiterentwickelten „Straßenbahn“ von Bretten in die Karlsruher Innenstadt fuhr, war das „Karlsruher Modell“ geboren. Riesige Fahrgastzuwächse zeigten, dass ein attraktives Angebot mit modernen, schnellen Fahrzeugen, von der Bevölkerung gerne angenommen wird. Die positiven
Nachrichten gingen wie ein Lauffeuer durch die Region und viele Gemeinden bemühten sich um Anschluss an dieses „Karlsruher Modell“. Delegationen aus der ganzen Welt kamen nach Nordbaden, um sich die revolutionären Züge anzusehen. „Kopien“ des „Karlsruher Modells“ auch Tram-Train genannt, gibt es zum Beispiel in Saarbrücken, Kassel und Toulouse.
Auch die Bürgermeister entlang der BMO-Bahn erkannten die Chance und setzten sich für die Übernahme der beiden Strecken durch die AVG ein. Dieter Ludwig war, aufgrund der hohen zu erwartenden Investitionen, zunächst nicht dafür diese Strecken zu übernehmen. Besonders der hartnäckige Einsatz der Bürgermeister von Kraichtal, Horst Kochendörfer und Ubstadt-Weiher, Helmut Kritzer, bewegten den sogenannten „Nahverkehrspapst“ zum Umdenken. So ging die Strecke im Mai 1994 in den Besitz der AVG über, Fahrzeuge und Personal wurden ebenfalls übernommen. Bereits im Dezember 1994 wurde der Fahrplan erweitert, was erste Fahrgastzuwächse zur Folge hatte.
In Rekordzeit wurde unter laufendem Betrieb, teils zum Leidwesen der Anwohner mitten in der Nacht, die Strecke modernisiert, elektrifiziert und für den Stadtbahnbetrieb
ausgebaut. Bürgermeister Horst Kochendörfer drängte auf die Inbetriebnahme zum 25. Stadtgeburtstag am 1. September 1996. Es wurde unter Hochdruck gearbeitet und so konnten die „gelben Bahnen“ am gewünschten Termin mit einem großen Volksfest entlang der Strecke empfangen werden.
Ein neues Zeitalter für Kraichtal
Ab dem 2. September 1996 brach ein neues Zeitalter für Kraichtal an. Ab sofort konnte erstmals ohne umzusteigen und mit nur einer Fahrkarte, fast rund um die Uhr von Menzingen nach Karlsruhe gefahren werden. Die Reisezeit hatte sich mit etwa 45 Minuten nahezu halbiert. Auch der bereits 1994 eingeführte Gemeinschaftstarif des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) trug durch die günstigeren Preise
zum großen Erfolg der Stadtbahn bei. Kostete eine Fahrkarte von Menzingen nach Bruchsal vorher 7,40 DM, waren es im neuen Tarif lediglich 3,60 DM.
Um der drei besonderen Jubiläen zu gedenken, hat die Stadt Kraichtal, dank Sponsoren und in Zusammenarbeit mit der AVG, eine Stadtbahn mit Motiven aller Kraichtaler Stadtteile gestaltet. Diese fuhr von April bis Dezember im ganzen Einsatzgebiet der AVG, um Werbung für Kraichtal zu machen. Die Geschichte der Bahn ist jedoch heute noch nicht zu Ende.
Nach der Fertigstellung der Kombilösung in Karlsruhe, ist in den nächsten Jahren die Einschleifung der Stadtbahnen der Linien S31 / S32 im Bahnhof Durlach in die Karlsruher Innenstadt geplant. Somit könnte bald ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Bahnen im Kraichbach- und Katzbachtal beginnen. -Torsten Krüger-